UNDERCOVER. Karo Kuchar

 

Opening.

29. März 2023 | 16 - 19 Uhr

Die Künstlerin ist anwesend.

 

Ausstellung.

30. März - 3. Juni 2023 

Karo Kuchar zieht ganze Wände aus, entledigt sie ihrer pigmentierten Haut, um sie synthetischer oder natürlicher Materie wieder anzuziehen. Dabei entstehen brüchige Landschaften, haptische Topographien, die (stoffliche) Körperteile in Form von Badebekleidungen umhüllen. 

Leerstehende Gebäude und Wohnungen sind der Ausgangspunkt ihrer Feldforschung. Alten Verputz, abbröckelnde Wandfarbe, Schmutz, Tapetenreste und Schichten vergangener Zeiten überträgt sie mit Bindemittel auf durchlässige Stoffe. Diese wiederum verarbeitet sie zu gewaltig großen Badeanzügen, die locker auf kupfernen Kleiderbügeln im Raum hängen. Bikinis und Badehosen spannt die Künstlerin über Keilrahmen und kombiniert sie zuweilen zu ultra-knackigen „Paaren“. Mit schelmischen Titeln wie „Copa Cagrana“ oder „Apollonia“ versehen, verwandelt sie nackte Wände in Kleidungsstücke und referenziert damit humorvoll auf das letzte Stück Stoff, das unsere Scham bedeckt. 

„(…) Raum [hat] eine lebendige Haut zu sein, die Informationen aufnimmt, sie speichert, verarbeitet, um sie weiterzugeben“, schreibt Vilém Flusser in seinem Text „Räume“ von 1991. Karo Kuchar erfährt Räume als Behausung und jedenfalls nicht kartesisch im Sinne eines orthogonalen Koordinatensystems. Vielmehr verdeutlichen ihre „Raumanzüge“ eine pulsierende Blase, welche die Zeit in Schichten stapelt. Ihre „Körper-Hüllen“ strukturieren den Körper und konstituieren ihn, grenzen seine Formen gegenüber dem öffentlichen Raum ab.

Im Mittelpunkt ihres Interesses stehen Transformationsprozesse, Aneignungen und Bedingungen, die eine Veränderung bewirken. Das erzählerische Potenzial des Materials und das Beziehungsgeflecht zwischen Raum und Körper füllen in ihrer neuesten Werkgruppe („Juicy-Serie“) Teile von Organza-Stoff zu hautfarbenen Rundungen. Gestreifte Wandoberflächen werden dazwischen gespannt, um den fragmentierten Körper von hinten zu zeigen. Sinnliche „soft sculptures“ sprengen den Rahmen in voluminösen Wülsten, wölben sich plastisch in den Raum und lassen einen spielerischen Zugang zum Genre des Wandreliefs erkennen. 

Die Tinder Boy-Serie hingegen reflektiert den Bildschirm unserer Smartphones. In diesen Arbeiten werden einzelne Profile der Dating-App „Tinder“ aus Baumwolle, Organza, Leder, Acrylfarbe und Füllstoff gezeigt. Maschinell genähte Darstellungen, „fragile Egos“ von durchtrainierten Oberkörpern und erigierten Penissen in bunten Boxershorts, geben gemeinsam mit gemalten Symbolen und Texten, Informationen zu deren potenten Trägern preis. Auch der Screen ist ein neues Stück Haut, dass wir vor uns hertragen. 

Karo Kuchar durchmisst Raum und Räume, Körper, Oberflächen und Materialitäten. Dabei interessiert sie sich paradoxerweise für das Unstoffliche, das nicht Greifbare, von dem George Perec in seinem Buch „Träume von Räumen“ als dem Drumherum spricht, der „Außenwelt, das was außerhalb von uns ist, das, in dessen Mitte wir uns bewegen, die Umwelt, der Raum ringsum.“

 

Text: Barbara Horvath

 


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