DER INNERE BERG. Alpine Gothic

 

15. Juni - 27. Juli 2024

 

Opening.

15. Juni 2024 | 11 - 15 Uhr

 

Die Künstler_innen sind anwesend.

 

NEUER STANDORT

Franz-Josef-Straße 5 | 1. Stock

5020 Salzburg

 

 


„Er trug den Stein hervor, bis er an das Tageslicht kam, und da sah er, daß es ein Feldstein war, wie man Tausende findet, und daß aus dem Feldsteine ein rotes Äuglein hervorschaue, wie wenn es von den Lidern der harten Steinrinde bedeckt wäre und nur rosenfarben blinzen könne. Wenn man den Stein drehte, warf er Funken auf die Dinge.“

 

Katzensilber von Adalbert Stifter ist wohl nicht der attraktivste Einstieg in die Bergwelt, stehen die Geschichten doch für verstaubte, langatmige Beschreibungen. Aber könnten wir poetischer über „rosenfarbenen“ Schimmer im Stein sprechen als mit solch einem Klischee? Alpine Gothic arbeiten mit ebendiesem Kontrast zwischen Rosatönen und montanen Grauschattierungen:  Fleischfarben, Altrosa oder dunkles Magenta collagiert mit Ausschnitten von Fotografien aus ihrem Atelier. Für Der innere Berg türmten sie dort Material, mit Tüll umhüllt, zu einem Berg auf. Selbst bei flüchtigem Hinsehen kommt die Dokumentation dieser „Landschaft“ nicht an den Kupferstich einer romantischen Berglandschaft heran, obwohl ich in Kombination mit den Titeln immer wieder an die Schraffuren solcher Bilder denken möchte. Weder die geografische Einordnung oder naturalistische Reproduktion von Bergketten noch die Kritik historischer Darstellungen interessiert das Kollektiv – die Elemente des Materialbergs überlappen mit Fotos und Farbe in Arbeiten wie Gretl (Reepschnur), In luftigen Höhen (Draht) oder Berg hinter Gitter (Metallgitter). Stifters Bunte Steine konsultierte ich eigentlich wegen der Andeutungen des Alpenglühens, das Alpine Gothic in Alpenglühen am Wiesenrand (2019/2022) und shine like a rock (2014) einzufangen versuchte. Rosa Berg, Leuchten und Halo bringen die Suche nach diesem Farbton alleine schon durch die Bildtitel in diese Ausstellung. Die romantische Vorstellung des alpinen Raums ist also nicht allzu weit entfernt. Gleichzeitig erinnert der Kontrast an manchen Stellen vielmehr an Betonflächen und in Pink gesprayte Botschaften, Tags oder Baumarkierungen. Vielleicht würde auch Stifter beschreiben, was Farbe aus dieser porösen Fläche macht. Er hätte womöglich die romantische Illusion von Natur bemerkt, die nie natürlich war – allein durch unsere Nutzung und den Umgang damit. Der innere Berg hangelt sich entlang der Frage, ob diese Idylle überhaupt aufrecht erhalten werden soll oder eh nur für Tourist*innen und Stadtmenschen erfunden wurde. Nicht von Ungefähr wird die Arbeit zur Meditation darüber, was für einen selbst bleibt, wenn man in dieser Idylle und Einengung aufgewachsen ist oder lebt. Was bedeuten die Formen um den Berg, die Materialien, die darüber liegen und der allgegenwärtige Kontrast?

Alpine Gothics Arbeiten, ansonsten verwurzelt in der Inspiration eines bestimmten Ortes oder lokalen Communities, entfernen sich von solchen konkreten Referenzen. Gleichzeitig ist das Kollektiv ohne dieses Gegenüber herausgefordert, die eigene Themenwahl zu reflektieren. Zwar bauen sie die Berge in den Ausstellungsraum, der innere Berg manifestiert sich dann aber oft eher als Auslassung in den Collagen. Die negative Form lässt Spielraum nicht nur an Stifter-Texte sondern auch an Idylle, Sound of Music, Jodeln, Trachten oder Almhütten zu denken. Genau hier kommt Alpine Gothics langjährige Beschäftigung mit dem alpinen Raum zu tragen. Der Titel wird nicht ansatzweise illustrativ in die Arbeiten übertragen. Nur die Collage Franz Klammer verbindet den Alpinsportler mit der in Ausstellungen heiß geliebten Foldback-Klammer humorvoll zum Kunstweltstar auf dem Gipfel. Hier oder bei Sehnsuchtsort Große Bühne wird klar, dass der Berg die alpine Vorstellungswelt und all deren Klischees mit der individuellen Realität der Künstler*innen kreuzt. Was wie ein Heimatfilm klingt, wird zur Metapher für Hindernisse, die eine jede (von uns) überwinden muss.

In der eingangs zitierten Stifter-Passage erzählt die Großmutter von einem Schäfer, der auf der Suche nach seinem Schaf im Innern eines einfachen Steins dessen Wert entdeckt – einen Edelstein. Dass ein Berg reich an Rohstoffen und wertvollen Mineralien ist, lindert die Idee, dass es nur um Hürden ginge (mit reichlich alpinem Kitsch). Der rosenfarbene Schimmer von Der innere Berg bringt uns nicht – wie in der Fabel – fünf Schafe, sondern lediglich die Einladung, den Leerstellen und Andeutungen Bedeutung zu verleihen: mit persönlichen Bergen, die zu überwinden sind, aber ebenso mit dem Ressourcenreichtum, den zu bewahren gilt.

 

Maximilian Lehner