WEICHE MACHT. Madita Kloss

 

 

Farbintensiv und lebendig entführen die Arbeiten von Madita Kloss in eine zeitlich nicht fixierbare Bildwelt. „The function of the artist in a disturbed society is to give awareness of the universe, to ask the right questions, and to elevate the mind“, formulierte Marina Abramović –  eine jener Künstlerinnen, die Kloss inspirieren. Auch Frida Kahlo und Paula Modersohn-Becker sind präsent, ebenso wie biblische Apfelmythen und Hip-Hop-Beats. Doch all das tritt zurück gegenüber einer malerischen Sogkraft, die den Blick bindet.

Ihre Farbpalette ist bewusst übersättigt – ein Ausdruck materialisierter Autonomie, die sich weder zähmen noch marginalisieren lässt. Dicke Konturen verstärken die Reduktion auf das Wesentliche: Frauen, die einfach sind, was sie sind – in Umgebungen, die einfach gut tun. Kloss kombiniert Figur und Stillleben paarweise. Beide Elemente sind in derselben Farbe grundiert, scheinen wie füreinander geschaffen – Fragmente harmonischer Welten, von denen die große Welt lernen könnte.

Schon in der Renaissance war die farbige Grundierung gängige Praxis. Sie wurde eingesetzt, um die Bildwirkung gezielt zu beeinflussen – etwa durch warme, fleischfarbene oder kühle, graublaue Untermalungen. Diese Grundierungen schimmern durch die späteren Farbschichten hindurch, verleihen Tiefe und Lebendigkeit. Oft bleiben bewusst Stellen der Grundierung sichtbar, um Akzente zu setzen. Auch Kloss nutzt diese Technik gezielt – ihre Malerei will anziehen, will den Einstieg in eine gedankliche Bewegung öffnen.

Der Ausstellungstitel greift den Begriff „Soft Power“ auf, geprägt von Joseph S. Nye in Bound to Lead (1990): die Fähigkeit, durch Anziehung, statt Zwang oder Aggression zu überzeugen. Es geht um die Attraktivität von Kultur, politischen Werten und legitimer Politik. „Seduction is always more effective than coercion, and many values like democracy, human rights, and individual opportunities are deeply seductive“(Joseph S. Nye).

Auch die Ausstellung Weiche Macht verweigert sich dem Zwang zur konfrontativen Geste. Sie plädiert – wie Kloss selbst – für die Wirksamkeit des Sanften, für die Kraft des Symbols, des Begehrens, der Imagination. Ähnlich wie die feministische Power-Dress-Mode nutzt Kloss Farbe, Motivik und Symbolik, um Stärke und Selbstermächtigung sichtbar zu machen. Die Frau erscheint bei ihr als Sinnbild von Selbstbewusstsein und innerer Kraft. Während Kloss in früheren Arbeiten oft geschlechtsneutrale Figuren wählte, stehen in dieser Schau bewusst Frauen im Zentrum: Frauen als Urheberinnen der „Weichen Macht“ – als jene, die mit Worten (ver)handeln statt mit Waffen.

Die Frau in Kloss’ Bildern ist kein Opfer patriarchaler Bildtraditionen mehr, sondern Protagonistin einer visuellen Neuordnung.  Wie es in Bilderbuchs Song „Soft Power“ heißt: „Du baust dir Mauern / But I’ve got soft power“ – eine Zeile, die zum Mantra wird. In einer Zeit, die oft auf Lautstärke und Konfrontation setzt, ist Kloss’ Werk ein radikales Gegenmodell – und gerade deshalb von politischer Brisanz. Kloss hat verstanden wie überzeugend subtil man Barbara Kruger interpretieren kann, wenn sie meint: „Power is something you take“.

Paula Watzl, Mai 2025

 


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