EARTH MAKERS. Johanna Binder

 

 

9. August - 18. Oktober 2025

 

 

 

 

 

 

 

Exotische Blüten, Farne und Blätter sind in der Ausstellung Earth Makers unübersehbar – die mit ihnen verbundene Geschichte der einst unbewohnten Insel Ascension im Südatlantik hingegen erschließt sich erst bei näherer Betrachtung.

 

Das vulkanische Ascension Island wurde 1501 von portugiesischen Seefahrern entdeckt und blieb lange unbewohnt. Ab 1815 wurde sie von der British Navy strategisch genutzt – zunächst zur Überwachung Napoleons im Exil auf der Nachbarinsel St. Helena. Zwischen 1847 und 1859 wurde sie von dem Botaniker Joseph Dalton Hooker in engem Austausch mit Charles Darwin gezielt begrünt - dazu wurden aus den Kolonien sowie den Londoner Kew Gardens mehr als 330 Pflanzen verschifft und bis 1870 fünftausend Bäume gepflanzt. Bereits Ende 1870 hatte sich am Gipfel des Green Mountains eine üppige Flora mit Eukalyptus, Pinien, Bambus und Bananenstauden entwickelt - innerhalb von 33 Jahren entstand ein sich selbst erhaltendes und selbstreproduzierendes Ökosystem. Somit gelang ein ökologisches Experiment - einzigartig in seiner Dimension - das nicht nur der Versorgung britischer Truppen diente, sondern die Insel in ihrer militärischen Schlüsselstellung als strategischen Stützpunkt von Großbritannien und den USA festigte. Die so entstandene Artenvielfalt – eine Mischung aus importierten Pflanzen aus Afrika, Europa und Südamerika – bildet den Ausgangspunkt für Johanna Binders künstlerische Auseinandersetzung mit ökologischem Imperialismus1 und dem damit verbundenen Terraforming.

 

In der Ausstellung Earth Makers sehen wir auf schachbrettmusterartig gerastertem Hintergrund unterschiedlichste Pflanzen – gemalt in Aquarell auf kleinformatigen Leinwänden. Jede einzelne ist mit einer römischen Zahl versehen, systematisch ihrer Funktion im Ökosystem entsprechend. In Johanna Binders Gemälden legen sich diese Pflanzen einerseits über das Raster (Terra nullius_01-04), andererseits wachsen sie gemeinsam mit Radarstationen, U-Booten und Militärflugzeugen2 aus dem Boden. Ihre Darstellung orientiert sich an der Bildsprache frühneuzeitlicher botanischer Aquarelle wie z.B von Maria Sybilla Merian – und damit an der historischen Verbindung von Naturdarstellung, Kontrolle und kolonialer Aneignung. Das bereits erwähnte Raster verweist auf den digitalen „leeren Hintergrund“ einschlägiger Bildbearbeitungsprogramme – einen Kontext ohne Inhalt, welcher als Wandmalerei im Ausstellungsraum selbst auftaucht. Genau diese Leerstelle wird zur eigentlichen Erzählung der Bilder sowie einer Serie von botanischen Reliefs aus Kunstharz: Wie wurden Pflanzen und ihr Zusammenwirken dem wirtschaftlichen und militärischen Zweck der Kolonialmächte untergeordnet und welche Folgen hat das in einem ökologischen Gefüge?

 

Die vordergründige Schönheit in der Darstellung von Pflanzen und Blüten in Johanna Binders neuen Arbeiten wird von der imperialistischen Dimension des auf Ascension Island entstandenen Ökosystems durchbrochen. Mit der Spannung zwischen Ästhetik und Geschichte verweist Johanna Binder auf die blinden Flecken unseres Naturverständnisses – und auf dessen tiefgreifende Verstrickung mit politischen und ökonomischen Machtstrukturen. Auf Ascension Island wird sichtbar, dass Pflanzen nicht nur Natur, sondern politische Akteur*innen sind: als Werkzeuge imperialer Macht und gleichzeitig als selbstständige Earth Makers. 

 

 

 

 

1  Ökologischer Imperialimus bezeichnet die zielgerichtete Ausbreitung von Pflanzen, Tieren und ökologischen Praktiken als Mittel kolonialer Machausübung 

 

 

2  Ascension Island beherbergt eine der 5 weltweiten Bodenstationen von GPS, das ECHELON-Überwachungssytem sowie Stützpunkte der NASA, ESA und Royal Air Force

 


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